Kapitel 4

Als Jesus merkt, dass die Pharisäer gehört haben, dass Jesus viele Schüler gewonnen hatte und taufte (noch mehr als Johannes)/ - obwohl nicht Jesus taufte, sondern seine Schüler - / verließ er Judäa und ging wieder nach Galiläa. 

Aber er folgte dem Weg durch Samaria./ Er kam zu einer Stadt in Samaria, nahe dem Ort, den Jakob seinem Sohn Joseph gegeben hatte./ Dort war der Brunnen Jakobs. Jesus, müde von seinem Weg, setzte sich jetzt an den Brunnen, dies war zur sechsten Stunde./ Es kam eine Frau aus Samarien, um Wasser zu holen. Jesus sprach zu ihr: Gib mir zu trinken./ Denn seine Jünger waren in den Ort gegangen, um Lebensmittel zu kaufen./ Die Frau aus Samaria sprach: Wie kannst du, ein Jude, eine Frau aus Samaria, um etwas zu trinken ansprechen? Denn die Juden hatten keine Gemeinschaft mit den Samaritern./ Jesus antwortet und sprach: Würdest du bereits jetzt die Gabe Gottes kennen und wer es ist, der jetzt zu dir spricht „Gib mir zu trinken“, so hättest du ihn gebeten, dass er dir Wasser des ewigen Lebens gibt./ Die Frau sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäss und der Brunnen ist tief. Wie kannst du Wasser des Lebens haben?/ Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gab und selber davon trank und auch seine Söhne und seine Herde?/ Jesus antwortete und sprach: Wer von diesem Wasser trinkt wird wieder Durst bekommen./ Wer aber von dem Wasser trinkt, dass ich ihm gebe, wird keinen Durst mehr haben in Ewigkeit; vielmehr wird das Wasser, was ich ihm gebe eine Quelle entstehen lassen mit Wasser des ewigen Lebens./ Die Frau sagte zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr dürste und nicht mehr herzukommen brauche, um zu schöpfen./

Er sagte: Geh, ruf deinen Mann und komme wieder./ Die Frau antwortete und sprach: Ich habe nicht einen Mann. Jesus sprach: Gut hast du gesprochen, dass du nicht einen Mann hast./ Denn fünf Männer hast du gehabt und den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. So hast du die Wahrheit gesprochen./ Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist./

Unsere Väter haben auf dem Berg angebetet und ihr sagt in Jerusalem ist der Ort zum anbeten./ Jesus sprach: Glaube mir Frau, es wird die Stunde kommen, da werdet ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten./ Denn ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir aber beten an, was wir kennen, denn das Heil kommt aus den Juden./ Aber es kommt die Stunde und sie ist schon da, wo die wahren Betenden den Vater anbeten in der Wahrheit und im Geist. Denn der Vater sucht solche Beter./ Geist ist Gott und die Betenden müssen in Geist und der Wahrheit sein./ Die Frau sprach: Ich weiß, dass der Messias kommen wird, der Christus genannt wird. Wenn er kommt, wird er zu uns alles sagen. Jesus sagte zur ihr: Ich bin es, der mit dir redet./

Dann kamen seine Schüler und sie wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach. Niemand aber fragte ihn: Was suchst du mit ihr zu besprechen?/ Ohne Wasserkrug ging die Frau in die Stadt und sagte zu den Leuten: Kommt und seht den Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe. Wird dieser nicht der Christus sein?/ Da machten sich die Leute auf zu ihm./
 

Dann sprachen Jesus Schüler ihn an und baten: Rabbi, iß!/ Er erwiderte ihnen: Ich habe eine Nahrung zu essen, die ihr nicht kennt. Da sprachen die Jünger untereinander: Hat ihm jemand zu Essen gegeben?/ Jesus sprach zu ihnen: Meine Nahrung ist, den Willen dessen auszuführen, der mich geschickt hat, um sein Werk zu vollenden./ Sagt ihr nicht selbst: Noch vier Monde sind es, dann kommt die Ernte. Ich sage euch: Öffnet eure Augen und seht die Felder, die hell-gold für die Ernte sind./ Denn der Erntehelfer empfängt seinen Lohn und gleichzeitig erhält er die Frucht unendlichen Lebens, so dass der Sämann sich genauso freut wie der Erntehelfer./ Ich habe euch geschickt zu ernten, wo ihr nicht gesät habt. Andere habe sich gemüht und ihr könnt entgegennehmen./

Aus der Stadt aber wurden viele Samariter glaubend an ihn durch die Worte der Frau, die bezeugte: Er sagte mir alles, was ich getan hatte./ Dann kamen die Samariter zu ihm und baten ihn, bei ihnen zu bleiben. Und er blieb dort zwei Tage./ Und es wurden noch viele glaubend durch seine Worte./ Der Frau sagten sie dann aber: Nicht aufgrund deines Geredes glauben wir, sondern weil wir selbst gehört und erkannt haben: Er ist die Wahrheit und der Retter der Welt./
 

Nach den zwei Tagen zog er weiter nach Galiläa./ So hat Jesus bezeugt: keinen Wert hat der Prophet in der eigenen Vaterstadt./ Denn als er in Galiläa ankam, nahmen in die Galiläer zwar auf, denn alles hatten sie gesehen, was er in Jerusalem auf dem Fest getan hatte, weil sie auch zum Fest gegangen sind. Und nun kam er also wieder nach Kanaa in Galiläa, wo er aus Wasser Wein gemacht hatte./ 


Und dort war ein hoher Beamter, der hatte einen kranken Sohn in Kafarnaum./ Und als er hörte, dass Jesus aus Judäa nach Galiläa kam, ging er zu ihm und bat, dass er herunterkomme und seinen Sohn heile, denn dieser  lag im Sterben./ Da sprach Jesus zu ihm: Wenn ihr keine Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht./ Der Beamte antwortete ihm darauf: Herr, komm herunter, mein Sohn stirbt!/ Jesus sagt zu ihm: Geh, dein Sohn lebt! Der Mensch glaubt dem Wort, das Jesus gesagt hast, und ging./ Noch während er herunterging, kamen ihm seine Knechte entgegen und sagten zu ihm: Dein Kind lebt! Und er erkundete sich nach der Stunde, ab der es ihm besser ging. Und sie antworteten ihm: Gestern, um die siebte Stunde hat ihn das Fieber verlassen. Da erkannte der Vater, dass es die Stunde war, in der Jesus zu ihm gesprochen hatte, dein Sohn lebt, und er wurde glaubend und sein ganzes Haus mit ihm. Dieses zweite Zeichen wirkte Jesus als er von Judäa nach Galiläa kam./

4, 1-26

Als Jesus merkt, dass die Pharisäer gehört haben, dass Jesus viele Schüler gewonnen hatte und taufte (noch mehr als Johannes)/ - obwohl nicht Jesus taufte, sondern seine Schüler - / verließ er Judäa und ging wieder nach Galiläa. 

Aber er folgte dem Weg durch Samaria./ Er kam zu einer Stadt in Samaria, nahe dem Ort, den Jakob seinem Sohn Joseph gegeben hatte./ Dort war der Brunnen Jakobs. Jesus, müde von seinem Weg, setzte sich jetzt an den Brunnen, dies war zur sechsten Stunde./ Es kam eine Frau aus Samarien, um Wasser zu holen. Jesus sprach zu ihr: Gib mir zu trinken./ Denn seine Jünger waren in den Ort gegangen, um Lebensmittel zu kaufen./ Die Frau aus Samaria sprach: Wie kannst du, ein Jude, eine Frau aus Samaria, um etwas zu trinken ansprechen? Denn die Juden hatten keine Gemeinschaft mit den Samaritern./ Jesus antwortet und sprach: Würdest du bereits jetzt die Gabe Gottes kennen und wer es ist, der jetzt zu dir spricht „Gib mir zu trinken“, so hättest du ihn gebeten, dass er dir Wasser des ewigen Lebens gibt./ Die Frau sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäss und der Brunnen ist tief. Wie kannst du Wasser des Lebens haben?/ Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gab und selber davon trank und auch seine Söhne und seine Herde?/ Jesus antwortete und sprach: Wer von diesem Wasser trinkt wird wieder Durst bekommen./ Wer aber von dem Wasser trinkt, dass ich ihm gebe, wird keinen Durst mehr haben in Ewigkeit; vielmehr wird das Wasser, was ich ihm gebe eine Quelle entstehen lassen mit Wasser des ewigen Lebens./ Die Frau sagte zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr dürste und nicht mehr herzukommen brauche, um zu schöpfen./

Er sagte: Geh, ruf deinen Mann und komme wieder./ Die Frau antwortete und sprach: Ich habe nicht einen Mann. Jesus sprach: Gut hast du gesprochen, dass du nicht einen Mann hast./ Denn fünf Männer hast du gehabt und den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. So hast du die Wahrheit gesprochen./ Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist./

Unsere Väter haben auf dem Berg angebetet und ihr sagt in Jerusalem ist der Ort zum anbeten./ Jesus sprach: Glaube mir Frau, es wird die Stunde kommen, da werdet ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten./ Denn ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir aber beten an, was wir kennen, denn das Heil kommt aus den Juden./ Aber es kommt die Stunde und sie ist schon da, wo die wahren Betenden den Vater anbeten in der Wahrheit und im Geist. Denn der Vater sucht solche Beter./ Geist ist Gott und die Betenden müssen in Geist und der Wahrheit sein./ Die Frau sprach: Ich weiß, dass der Messias kommen wird, der Christus genannt wird. Wenn er kommt, wird er zu uns alles sagen. Jesus sagte zur ihr: Ich bin es, der mit dir redet./


Interessant ist wie der Grund der Geschichte in den Vätern gelegt wird. Denn es ist nicht irgendeine Geschichte, sondern sie bestätigt oder führt fort oder besser sie fügt eine neue Melodie zu dieser Geschichte ein. So sollten auch wir unser Leben verstehen, als passende aber je neue Melodie zu Gottes Taten in der Geschichte. Zumal die Bibel immer das gleiche erzählt (die Aufgabe des Ichs und die analogia entis zwischen Selbst und Gott), aber in unendlich vielen Variationen, so das jedes Leben, dass sich hierauf einlässt, eine neue Variation der Melodie in diesem Ur-Prinzip ist. 


Die Frau fühlt sich gar nicht würdig, von Jesus angesprochen zu werden und weißt ihn darauf hin, dass dies gesellschaftlich auch nicht opportun ist. Jesus aber weiß sowohl um ihre Herkunft als auch um ihr sündiges Leben - und macht es trotzdem oder gerade deswegen. Er will von ihr, dass sie ihre ganz normale Tätigkeit verrichtet, ihren Alltag - nur halt für ihn, in seinem Dienst. Interessant ist, das es eine einfache Aufgabe ist, dennoch eine sehr existentiell wichtige: den Durst in der Mittagsstunde nach einer Wanderung zu löschen.


Hier passiert wieder das schon bekannte Spiel, genauso wie oben bei Nikodemus oder den Juden. Sie verpassen alle die Ebene auf der Jesus spricht. Bei Koans im Zen wird dies noch deutlicher, weil die sind auf einer buchstäblichen Ebene einfach Nonsens und irre. Jesus Rede macht auch auf einer buchstäblichen Ebene Sinn, wodurch der Absprung aber schwieriger wird als im Koan, dass sich einfach auf dieser Ebene verweigert und dort auch niemanden verweilen lässt. Aber vom Prinzip funktionieren beide gleich.


Die Frau sieht also nicht, was hier vor sich geht. Sie ist ganz eingenommen von der Welt, in der sie einen eingeschränkten Status hat, sie nur ein sündiges Leben vorweisen kann und hierdurch einfach nur beschränkt ist. Sie ist nicht offen für die Gabe der Freiheit oder Befreiung durch Gott. Sie hätte zunächst die vorbereitende Reinigung durch Johannes nötig.


Die Frau sieht nicht, das hier ein Bruch geschehen soll mit ihrem bisherigen Leben oder besser, dass das bisherige Leben aufgehoben werden soll. Nicht nur muss sie jeden Tag aufs Neue zum Brunnen gehen ohne dadurch Ruhe zu erfahren, sondern der Brunnengang ist ein Symbol ihres (unseres) ganzen Lebens, denn zum Beispiel auch bei ihren Männer findet sie keine Erfüllung und eilt vom einen zum nächsten ohne hier jemals Ruhe zu finden. Ein getriebenes Leben, das wir alle führen, manchmal mehr oder weniger bewusst, manchmal versessener oder gelassener - aber nie ist ein Ende in Sicht.


Jesus verspricht hier Rettung, auch wenn dies keine Befreiung von den Aufgaben dieser Welt bedeutet, aber diese werden quasi getragen durch den Fluss des ewigen Lebens, der schon jetzt in uns fließt und durch alle Wirren des Lebens Zuversicht geben kann, da wir zuverlässig daraufhin zum Vater treiben, der alles aufnimmt und letztlich in sich heilt: 


Du, 
 Weite überm Abgrund

Meine Augen zersplittern, 
 auf der Suche nach dir

Ich versuche Dich zu hören, 
 und spüre stattdessen deinen Atem in mir

Jeder Fluß fließt ins Meer, 
 Anbetung in Dir.

Du, 
 Weite im Abgrund, 
 in mir.

(Eigenes Gebet in Anlehnung an Rotzetter 1988: 62)


Sie versucht zunächst ihre Männer zu vertuschen, ohne zu lügen. Allerdings wird sie von Jesus durchschaut, aber auch als sie nackt vor ihm steht, begreift sich noch nicht wirklich worum es geht. Sie bezeichnet Jesus als Propheten, der zwar alles erkennt, aber nicht als den, der alle ihre Sünden aufheben will. Aber dies geht nur, wenn sie aufhört mir ihrem strategisch-klugen Herumlavieren und stattdessen sich offen liebend Jesus anvertraut. 


Adrienn von Speyr schreibt, dass es hier  um „die volle Übergabe seiner selbst an Gott“ geht. Und genau dies machen wir fast nie. Denn auch im Glauben suchen wir oft Sicherheiten, Gewissheiten etc. Auf dem Weg zur Abtei Maria Frieden hat mich bei der Lektüre im Zug der folgende Satz getroffen: „Dein bin ich, wirf mich, wohin du willst!“ (Przywara 1925: 42)


Beim Beten steht nicht ein bestimmtes Ritual oder Technik im Mittelpunkt, sonder ich muss ganz offen sein, ohne das ich an etwas gebunden bin, mich auf Gott und den Geist, der weht, wo er will, einlasse. Das bedeutet aber, dass ich dienen muss, d.h. mich im Gebet zurückzunehme: und Zurückzunehmen in seiner doppelten Bedeutung, so dass ich zum einen Gott im Gebet nicht mit meinen Bitten und Wünschen bestürme, hier muss ich mich zurücknehmen, indem ich eher höre, als dass ich von mir schwatze. Und dann nehme ich mich buchstäblich zurück, indem ich von Gott mich zurückgegeben bekomme und zwar nicht wie ich mich sehe, sondern wie Gott mich in Wahrheit (und dies ganz griechisch als Unverdeckt) sieht.


Nicht ich bete dann, sondern der Geist betet und seufzt in mir zum Vater (Röm 8,26). Vielleicht ist Beten gar nicht so sehr das Gespräch zwischen Braut und Bräutigam, wo sie sich ihre Gemeinsamkeiten bestätigen (was eh alles selektiv und konstruiert ist wie der Soziologe weiß), sondern das Knistern zwischen Braut und Bräutigam, wenn nichts gesagt wird, wenn sie sich gegenseitig einfach nur anschauen und merken, dass die Chemie zwischen ihnen stimmt. In der Stille und nicht im Geschwätz wird Verbindung aufgenommen. Interessanterweise ist der Geist in dieser Konstellation ganz umkonkret: den Jesus, der Bräutigam, und mein Leben, die Braut, kann ich mir sehr konkret vorstellen - das Verbindende dagegen nicht.


Hier zeigt sich die ganze Grundüberzeugung der Frau, die sich die ganze Zeit in ihrer Verstockung durchzieht: sie „weiß“ zwar, dass der Messias kommen wird, aber sie erwartet ihn nicht bzw. sie glaubt dies nicht wirklich. Ja er wird irgendwann kommen, aber ich werde ihm eh nie begegnen! Und ist dies nicht auch die Glaubenshaltung, die wir meistens haben. Rechnen wir wirklich damit, dass in jeder Sekunde auf einmal der Herr vor uns steht? Und wie würde sich dies anfühlen? Ich habe meist eher das Grundgefühl, dass ich dann wie Lots Frau zur Salzsäule erstarren würde, angesichts der gewaltigen Herrlichkeit Gottes - nur in wenigen Momenten habe ich das Gefühl, einfach in den Arm genommen zu werden und einfach alles loslassen und fallenlassen zu können.


Hier zeigt sich, dass die Kategorie des Glaubens nicht eine schwächere Form des Wissens ist, sondern eine persönliche Erkenntnisform und richtig angewendet, die stärkere Form ist, indem ich mir allgemeines Wissen persönlich aneigne und realisiere. 


Die Frau ist in ihren Ritualen, Traditionen und Vorstellungen gebunden, ohne sich auf die Offenheit des Geistes einzulassen, der den Herrn tatsächlich in jedem Augenblick erwartet. Denn der Herr kann tatsächlich kommen, genau jetzt! Und nicht nur einmal in der eschatologischen Parousie, sondern immer wieder in meinem ganz banalen Alltag. Dies wäre die eigentliche Naherwartung. Dies ist so eine unglaubliche Vorstellung, dass Jesus und Gott mir so unglaublich nahe sind. Eine Vorstellung die man erstmal aushalten muss.


Weiß man dagegen, dass der Herr am Ende der Zeiten kommt, so kann man sich ihn ganz gut erstmal vom Hals halten und sich erst wie Kaiser Konstantin der Große auf dem Totenbett taufen lassen. Aber genau dagegen brauchen wir die Naherwartung, die mit diesem kalkulierenden Schluß macht, denn mit Gott rechnet man nicht (auch dies in seiner ganzen Doppeldeutigkeit). Denn Gottes reich möchte jetzt und immer wieder aufs Neue in mir aufbrechen - unerwartet und immer wieder ungewohnt. In seiner ganzen Wucht und seiner ganzen Eigendynamik, die dann eigentlich von mir nicht viel übrig lässt: Nicht ich, Christus lebt in mir. Und dann paradoxerweise dann doch so viel aus mir macht, aber eben unverdeckt, ganz unverdeckt in Wahrheit. Aber dies als Prozess und als mein Leben, wo es keine einmalige Berufung bzw. Erleuchtung gibt, sondern die stetige μετάνοια, die nur Hugo Balls Weg zu Gott ist (Hennings-Ball 1931).


Und diese μετάνοια schafft die Frau hier noch nicht, d.h. sich umzudrehen und von sich weg und auf Gott hinzuschauen. Sie sieht nicht die Doppeldeutigkeit des ganzen Lebens, dies zeigt auch der letzte Satz von Jesus hier: „Ich bin es, der mit dir redet.“ Er kann buchstäblich gelesen werden, dann ist er so banal und kann von jedem gesprochen werden und ist wahr. Aber in dem ich die μετάνοια vollziehe, steckt in diesem kurzen Satz alles, denn „Ich bin der Erlöser, der dir Wasser des ewigen Lebens gibt, der mit dir redet!“. Die meisten Menschen leben aber in der ersten Bedeutungsebene - und dies kann man selbst im Glauben, wenn man sich nur an eine unpersönliche Tradition und Dogmatik einlässt und es nicht für sich selber realisiert und sich diesem persönlichen Angang aussetzt.

4, 27-38

Dann kamen seine Schüler und sie wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach. Niemand aber fragte ihn: Was suchst du mit ihr zu besprechen?/ Ohne Wasserkrug ging die Frau in die Stadt und sagte zu den Leuten: Kommt und seht den Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe. Wird dieser nicht der Christus sein?/ Da machten sich die Leute auf zu ihm./

Dann sprachen Jesus Schüler ihn an und baten: Rabbi, iß!/ Er erwiderte ihnen: Ich habe eine Nahrung zu essen, die ihr nicht kennt. Da sprachen die Jünger untereinander: Hat ihm jemand zu Essen gegeben?/ Jesus sprach zu ihnen: Meine Nahrung ist, den Willen dessen auszuführen, der mich geschickt hat, um sein Werk zu vollenden./ Sagt ihr nicht selbst: Noch vier Monde sind es, dann kommt die Ernte. Ich sage euch: Öffnet eure Augen und seht die Felder, die hell-gold für die Ernte sind./ Denn der Erntehelfer empfängt seinen Lohn und gleichzeitig erhält er die Frucht unendlichen Lebens, so dass der Sämann sich genauso freut wie der Erntehelfer./ Ich habe euch geschickt zu ernten, wo ihr nicht gesät habt. Andere habe sich gemüht und ihr könnt entgegennehmen./


Auf einmal hat die Frau dann doch verstanden, wer Jesus ist, weil sie merkt, dass er sie erkannt hat. Es hat Klick gemacht, ganz plötzlich, ohne logische Argumentationskette, die dahin geführt hätte - auf einmal ist alles klar, was eigentlich so offensichtlich die ganze Zeit war. Er schaut sie wie Gott an und das merkt sie schließlich, auch wenn sie dies sicherlich nicht so benennen könnte. Allerdings findet sozusagen keine Hochzeit statt, sondern sie wechselt nur die Ebenen: sie lässt den Wasserkrug (d.h. die Welt) liegen und kennt nur noch die Erlösung (d.h. den Herrn in den Himmeln). 


Denn Jesus hat sie befreit. Während sie vorher wegen ihres sündigen Lebens alleine in der Mittagshitze zum Brunnen geschlichen ist, um niemanden zu begegnen, läuft sie nun in die geschäftige Stadt und ruft: dieser Mensch kennt mich durch und durch… er muss der Christus sein. Kommt alle mit!


Es ist auch interessant, dass sie nicht einfach zufrieden nachhause zurückkehrt, sondern andere zur Nachfolge aufruft. Glaube und Erlösung ist keine Privatsache für den Einzelnen, sondern immer auch Sendung und Apostelamt. Sie ist für die Gemeinschaft und alle da, jeder ist für die Apokatastasis mitverantwortlich. 


Die Schüler schaffen aber genauso wenig wie die Frau am Brunnen den Sprung. Auch sie sehen nur die materielle Nahrung, um die sie sich sorgen. Jesus erwidert ihnen darauf, dass sie nicht verstehen, welche Nahrung ihn nährt - und welche auch ihre wichtigste Nahrung sein sollte. Ihn nährt, dass er den Willen des Vaters ausführt und vollendet, d.h. auf seinen Ruf und seine Aufgabe hört. Dabei passt das Bilder der Nahrung sehr gut: denn Nahrung ist kein Auftrag, den man widerwillig ausführt, den man bestenfalls kognitiv als richtig einsieht. Vielmehr ist es ein innerer Hunger, ein wortloser Drang, der aus dem tiefsten Inneren aufsteigt. Der auch nicht festgelegt ist, was zu tun bzw. was zu essen ist, sondern nur, dass gegessen werden muss. Und wenn man dies ignoriert, stirbt man.  Isst man keine materielle Nahrung, so stirbt der Körper. Nährt man sich nicht vom Willen des Vaters, so stirbt das ewige Leben. Die meisten Menschen merken nur nicht, dass ihr ewiges Leben dahinsiecht und im Sterben liegt.


Jesus ändert dann etwas die Perspektiv, vom direkten Essen hin zur Ernte auf dem Feld. Während der Hunger unmittelbar drängend ist und befriedigt werden muss, braucht die Ernte Planung und die richtige Zeit. Und damit ist dies auch ein ergänzendes Bild für das Nähren des ewigen Lebens. Denn Jesus zeigt durch die Ernte, dass wir für das ewige Leben gar nichts wirklich tun müssen, es ist bereits angelegt, da sich andere bereits darum gemüht haben, es zu säen. Seine Schüler schickt er aus, zu ernten, obwohl sie keine Mühen bei der Aussaat hatten. Sie dürfen sich das ewige Leben schenken lassen… nur sie müssen es ebene annehmen und dafür danken! Aber mitunter ist das Annehmen, etwas sehr Schweres!


Interessant daran ist, dass es etwas dem christlichen Bild widerspricht, dass man sich auf Erden abmüht mit guten Taten (also sät), um dann im Himmel die Ernte des ewigen Lebens zu empfangen. Für Jesus scheint der Himmel und das ewige Leben aber jetzt zu beginnen, indem man den Willen des Vaters erfüllt. Was dann aber nicht immer Paradies und Schlaraffenland bedeuten muss, wenn man nur an Gethsemani denkt.

4, 39-46

Aus der Stadt aber wurden viele Samariter glaubend an ihn durch die Worte der Frau, die bezeugte: Er sagte mir alles, was ich getan hatte./ Dann kamen die Samariter zu ihm und baten ihn, bei ihnen zu bleiben. Und er blieb dort zwei Tage./ Und es wurden noch viele glaubend durch seine Worte./ Der Frau sagten sie dann aber: Nicht aufgrund deines Geredes glauben wir, sondern weil wir selbst gehört und erkannt haben: Er ist die Wahrheit und der Retter der Welt./

Nach den zwei Tagen zog er weiter nach Galiläa./ So hat Jesus bezeugt: keinen Wert hat der Prophet in der eigenen Vaterstadt./ Denn als er in Galiläa ankam, nahmen in die Galiläer zwar auf, denn alles hatten sie gesehen, was er in Jerusalem auf dem Fest getan hatte, weil sie auch zum Fest gegangen sind. Und nun kam er also wieder nach Kanaa in Galiläa, wo er aus Wasser Wein gemacht hatte./


Zunächst kommen viele Mitbürger der Frau zum glauben, weil die Frau erzählt, dass Jesus alle ihre Taten kannte. Sie glauben also eher an Jesus als Hellseher und sind wegen dieser außergewöhnlichen Fähigkeit fasziniert. Sie gehen also zu ihm und bitten ihn doch weiter zu bleiben, wie ein Wanderzirkus, der um Verlängerung gebeten wird. Und Jesus lässt sich sogar darauf ein. 


Und dann weisen sie die Frau ab und demütigen sie (wie in der Vergangenheit auch schon, ganz schnell sind sie im alten Muster und haben damit so gar nicht verstanden, worum es Jesus geht). Die Frau, die sie erst auf Jesus aufmerksam gemacht hat, die ihre Augen für Jesus erst geöffnet hat, ihr sagen sie, dass sie nicht aufgrund ihres Weibergeschwätz glauben, sondern weil sie Jesus selber gehört haben. Auch dies eine unglaublich primitive und bornierte Haltung. Und trotzdem erkennen sie richtig, dass Jesus die Wahrheit und der Retter ist. Aber vielleicht ist es auch nur eine daher gesagte Floskel? Aber woher haben sie diese? Woran erkennen sie dies an Jesus?


Aber Jesus zieht einfach weiter in seine Vaterstadt, wo er zwar als Sohn der Stadt aufgenommen wird wie jeder Mitbürger, aber nicht als der von Gott gesendete, wird er aufgenommen. So dass selbst Jesus das Sprichwort bestätigt, dass der Prophet in der eigenen Stadt nichts zählt - was für die Frau wie für ihn gilt. In dem Sprichwort steckt allerdings sicher etwas Richtiges und etwas Falsches zugleich: zum einen dient es soziologisch dazu, einen gesellschaftlichen Zusammenhalt und Kohärenz zu schaffen, indem Abweichler klein gehalten werden. Denn wahr ist auch, dass es nur wenige Propheten gibt, dafür aber viele Spinner (auch heute gibt es etwa nur einen Luhmann, aber viele systemtheoretische Spinner, die besser etwas Vernünftiges machen sollten… und vielleicht sollte ich auch diese theologische Geschwätz hier lasse, aber ich schreibe ja für niemanden außer für Sudhana und um mich zu ordnen).


Zum anderen geht es dabei auch um Fremdheit, die für das Verstehen notwendig ist. Denn jeder  wahre Prophet oder auch jeder wahre Künstler ist gesprungen und dieser Sprung ist eben ein Bruch und nicht mehr direkt herleitbar aus seiner sonstigen Biographie. Und hier stellt sich wieder die Frage zwischen Prophet und Spinner, denn auch der Spinner ist gesprungen, indem er die Ordnung verlassen hat, einfach weil er sich für etwas Besonderes und Besseres hält - und damit ist der Spinner einfach in die absolute Falschheit gesprungen, weil jeder Mensch etwas Besonderes ist (und eben nicht nur der Spinner, der sich in Abgrenzung zu den anderen für etwas Besonderes hält) und jeder ist das Beste was Gott in jedem Menschen in dieser Form schaffen konnte. 


Als Unterscheidungskriterium kann den Satz nehmen: „Nicht frei wovon, sondern frei wozu!“. Der Spinner befreit sich von den gesellschaftlichen Einschränkungen, die an ihn gestellt werden, um sein tolles Ego vermeintlich frei entfallen lassen zu können. Eine aktuelle sehr verbreitete leere Freiheit. Dem Propheten geht es gar nicht um sein Ego und seine Anerkennung und auch nicht um Freiheit. Vielmehr lässt er sich durch einen Ruf noch mehr binden als zuvor durch die Gesellschaft. Sein Ich wird gänzlich zerschlagen und ist eben keine Ich-Verwirklichung und der Wunsch nach Anerkennung (siehe etwa bei Jeremia). Und da es nur wenige Propheten gibt, werden die meisten vermutlich zu Recht als Spinner in ihrer Heimatstadt wahrgenommen und nicht als Propheten.

4, 46-54 

Und dort war ein hoher Beamter, der hatte einen kranken Sohn in Kafarnaum./ Und als er hörte, dass Jesus aus Judäa nach Galiläa kam, ging er zu ihm und bat, dass er herunterkomme und seinen Sohn heile, denn dieser  lag im Sterben./ Da sprach Jesus zu ihm: Wenn ihr keine Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht./ Der Beamte antwortete ihm darauf: Herr, komm herunter, mein Sohn stirbt!/ Jesus sagt zu ihm: Geh, dein Sohn lebt! Der Mensch glaubt dem Wort, das Jesus gesagt hast, und ging./ Noch während er herunterging, kamen ihm seine Knechte entgegen und sagten zu ihm: Dein Kind lebt! Und er erkundete sich nach der Stunde, ab der es ihm besser ging. Und sie antworteten ihm: Gestern, um die siebte Stunde hat ihn das Fieber verlassen. Da erkannte der Vater, dass es die Stunde war, in der Jesus zu ihm gesprochen hatte, dein Sohn lebt, und er wurde glaubend und sein ganzes Haus mit ihm. Dieses zweite Zeichen wirkte Jesus als er von Judäa nach Galiläa kam./ 

 

Der hoher Beamte kommt zu Jesus nicht mit irgendeiner Bitte, sondern er steht in einer extremen Situation: sein Kind liegt im Sterben. Hier ist selbst ein hoher Beamter machtlos. Eine größere Ohnmacht, kann es nicht geben. Kein Ausweg scheint da zu sein, er kann seinem Sohn nur zuschauen, wie sein Fieber steigt und weiß, wo dies endet: das sein Sohn stirbt und dass er mit ihm stirbt, aber als Zombie dann weiterleben muss. 

 

Vielleicht geht er deshalb nur zu Jesus, weil er eh nichts zu verlieren mehr hat, man kann es einfach mal versuchen, wie Globuli. Und Jesus lässt ihn erst einmal abblitzen. Jesus antwortet ihm, dass sie nur glauben wenn Zeichen und Wunder geschehen, genauso wie die Leute aus Galiläa, die gerne in ihm einen Zirkus sehen. Aber dem hohen Beamten geht es gar nicht um Zirkus, auch nicht, ob er glauben kann oder soll oder nicht. Er kommt weder mit Schaulust noch mit einer theologischen Neugier. Er sieht nur, dass sein Sohn stirbt und da ist alles andere zweitrangig. 

 

Er geht auch gar nicht darauf ein, weil es ihm egal ist in diesem Moment. Jesus soll einfach nur kommen und seinen Sohn retten. Jesus verweigert ihm seine Bitte, mitzukommen und sagt nur, dass sein Sohn lebt. Er macht sozusagen nichts, sondern sagt nur etwas. Und nur durch dieses Wort, macht er etwas. Genauso der Glaube, der auch erstmal nichts macht, sondern auch nur eine Zusage ist… ohne Beleg und Garantie.